Warum es uns gibt
Es ist sicherlich nicht übertrieben zu behaupten, dass die Arbeit von Übersetzern oder Dolmetschern in der Gesellschaft wohl mehr als ein (lästiges) Handwerk wahrgenommen wird denn als eine hochspezialisierte Tätigkeit.
So ist die Berufsbezeichnung "Übersetzer" oder "Dolmetscher" nicht geschützt, Honorare oder Stundensätze sind oft niedrig und Qualifikationen werden selten verlangt: Es muss ja "nur übersetzt" werden, und das kann nach landläufiger Meinung jeder, der mindestens 2 Sprachen beherrscht.
Nicht ganz unschuldig an dieser mangelnden Trennschärfe sind dabei auch die Universitäten, die ihre Lehrstühle nicht mit Translationswissenschaftlern sondern mit Philologen besetzen, den Mittelbau mit teilweise fachfremdem und wissenschaftlich ungebildetem Personal und das Ganze vor dem Hintergrund der Bologna-Reform, die für theoretische Inhalte in der Übersetzer -und Dolmetscherausbildung kaum noch Platz lässt.
Das theoretisch-wissenschaftliche Element (und damit ein kritisches, systematisches und strukturiertes Nachdenken über die eigene Tätigkeit) kommt deswegen in der Grundausbildung an vielen Standorten zu kurz. Dies erklärt mit, warum auch viele Berufspraktiker die theoretische Auseinandersetzung mit ihrer Tätigkeit scheuen oder unterschätzen. Ganz im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, in denen wissenschaftliches Denken und Handeln von Anfang an unterrichtet wird und im späteren Berufsalltag einfach "dazu gehört" - was letztendlich wohl auch das besonders gute "Image" der entsprechenden Fächer und Berufsbilder begründet.
Dies mag erklären, warum viele Studierende gar nicht erst über eine Promotion in Translationswissenschaften nachdenken, aber auch während ihrer Dissertation immer wieder auf (die gleichen) Schwierigkeiten und Fragen stoßen, und zwar im Vorfeld, also bei der allgemeinen Planung, während der Durchführung und beim Übergang ins wissenschaftliche Leben:
Für die Planung sind Fragen relevant wie: Was ist (Translations)Wissenschaft überhaupt, was bedeutet eine Dissertation in diesem Bereich, wie geht man sie an, welche "Arten" gibt es und worauf sollte man bei seiner Entscheidung aufpassen (und sich rechtzeitig informieren)?
Während der Durchführung zeigen sich oft wissenschaftlich-inhaltliche Defizite in Zusammenhang mit den "basics" - Gegenstand, Problemstellung und Zielsetzung - die oft nicht (ausreichend) bekannt sind: Was das für "Dinge" sind, warum man sie braucht und wie sie konstituiert werden.
Weitere Probleme stehen in Zusammenhang mit eher "handwerklichen" Aspekten: Nach welchen Maßstäben sich eine (Kapitel)Strukturierung erstellen lässt, wie erfolgreiche Präsentationen erstellt werden oder was bei Planung und Umsetzung der mündlichen Prüfung berücksichtigt werden sollte.
Beim Übergang ins wissenschaftliche Leben schließlich stellen sich Fragen wie die nach der "richtigen" Auswahl eines Verlages (und der seitenlangen Vertragsklauseln) für die Veröffentlichung, dem "Promoten" der eigenen Arbeit und dem (wissenschaftlichen) Leben und Arbeiten nach der Dissertation.
Bei all diesen Aspekten kann eine Rückmeldung durch Gleichgesinnte jenseits der Betreuung (auch falls bereits vorhanden und "funktionierend") sinnvoll sein, allein schon durch den Perspektivenwechsel - weg vom Verhältnis Betreuer/Prüfer zu Doktorand, hin zum Verhältnis Nachwuchswissenschaftler zu Nachwuchswissenschaftler.
Mehr zur konkreten Umsetzung in unserer Zielsetzung.